Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2025
Musik jazz, Blues

 

Peter Lehel

„Dann passiert die Musik von allein“

Bild - Peter Lehel
Wer sich in und um Karlsruhe für Jazz interessiert, der kommt an Peter Lehel nicht vorbei. Saxophonist und Komponist, Arrangeur und Bandleader, Dozent, Kurator, Organisator - Lehel ist produktiv und vielseitig. Ein Mann für viele Bühnen und Projekte, der mal mit einer Kirchenorgel zusammenspielt, mal mit einem Sinfonieorchester oder - laut und elektrisch - mit einer Rockband. Vergangenes Jahr brachte er die CD „Coltrane String Ballads“ heraus, in der sich nicht nur der frühe Einfluss von John Coltrane spiegelt, sondern auch das ungarische Erbe, seine Liebe zu Streicherklängen; sein Vater stammt aus Ungarn. Am 13. September wird er 60 Jahre alt. Am Abend zuvor feiert er rein: Im Karlsruher Jazzclub gibt er ein „60 Jubilee Concert“ mit Freunden und Weggefährten. Und natürlich hat er eine neue Scheibe rausgebracht: „Paul Auster Jazz“ mit dem Peter Lehel Quartet. Wolfgang Janisch unterhielt sich für die Klappe Auf mit dem vielseitigen Musiker. (Foto Jürgen Schurr).

Du bist häufig anderswo in der Welt unterwegs und kennst viele Bühnen. Ist Karlsruhe eine gute Jazzstadt?
Peter Lehel: Klar. Den Jazzclub gibt es seit Jahrzehnten. Das Tollhaus ist stark gewachsen. Die Hemingway Lounge hat sich 15, 16 Jahren gut entwickelt. Dazu Tempel und Kohi - viele Bühnen, die sich wunderbar ergänzen. Das Karlsruher Jazzpublikum hat tolle Möglichkeiten. Die sollte man nutzen.

In Karlsruhe bist du zwei Bühnen eng verbunden. Der Jazzclub im ehemaligen Kinosaal hat eine erhöhte Bühne, die Distanz zum Publikum ist größer. In der Hemingway Lounge musst du aufpassen, dass du den Leuten in der ersten Reihe nicht auf die Füße trittst. Was fühlt sich besser an für den Musiker?
Lehel: Ich habe tatsächlich zu beiden eine enge Verbindung. In den Jazzclub, damals im Jubez, bin ich schon als 15-Jähriger gegangen. In der Hemingway Lounge, gegründet von Wolfgang Meyer, kuratiere ich seit mehr als anderthalb Jahrzehnten den Freitagabend.

Der Unterschied für den Musiker?
Lehel: Ich will nicht werten, was besser ist. Große Bühnen bieten andere Möglichkeiten für größere Ensembles. Aber ich persönlich liebe es sehr, ganz nah am Publikum zu sein. In der Lounge sind Publikum und Musiker auf derselben Ebene - wir sitzen im selben Boot. Das Publikum hat einen starken Einfluss darauf, was auf der Bühne passiert. Und wir, die Musiker, haben eine viel stärkere Verantwortung für das Publikum: Das kann laut werden, wenn du einen Meter vor dem Saxophon sitzt. Ich bin überzeugt, dass die Musik dort noch intensiver sein kann - weil sie nicht losgelöst vom Publikum passiert. Je weiter weg man steht und je weiter oben, desto mehr spielt man sein Ding. Und je nach Beleuchtung sieht man nicht einmal die Gesichter. Wenn man aber nah dran ist, nimmt man wahr, ob die Zuhörer gerade ihr Handy checken oder doch fasziniert zuhören. Das ist sehr spannend.

Kommen wir zur Improvisation. Kannst du uns Laien mal erklären, was da passiert? Es ist klar, Du hast ein harmonisches Gerüst, aber das ist nur der Anfang. Wie lange hat das Gehirn die Kontrolle? Und wann übernimmt der Bauch?
Lehel: Es fängt ja damit an, dass man womöglich mit Musikern auf der Bühne steht, mit denen man noch nie gespielt hat. Wie reagieren die, wie kommunizieren sie mit mir? Da muss man improvisatorisch reagieren können. Improvisation ist eine Technik, eine Sprache. Es ist wie beim Schreiben: Es gibt Leute, die einen sehr großen Wortschatz haben. Oder die viele Sprachen sprechen und auf Knopfdruck wechseln können. Das gibt es auch bei den Jazzmusikern. In so einer Situation herrscht eine hochkonzentrierte Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen.

Wie oft klappt das?
Lehel: Es gibt Abende, die sind mühsam. Da spielt man mehr Klischees, von denen man weiß, dass sie funktionieren. Das ist eine Art Sicherheitsspiel, das durchaus hohes Niveau haben kann. Und dann gibt es Abende, an denen passieren magische Momente. Und die stellen sich nur ein, wenn man nichts Vorgefertigtes, nichts Konstruiertes spielt. Das passiert, wenn man komplett im Flow ist. Wenn der Kopf nicht mehr dabei ist und ständig überlegt, aha, jetzt mach ich dies und dann jenes. Dann passiert die Musik von allein. Das sind „golden moments“, die kann man nicht erzwingen.

Aber sie kommen vor.
Lehel Ich kann nach so einem Konzert nicht gleich ins Publikum gehen und small talk machen. Ich möchte den Zustand weiterleben lassen, weil ich da spüre: Das ist der Grund, warum ich mein Leben lang Musik mache. Um diesen Augenblick zu erwischen, der natürlich dann weg ist. Alles, was wir tun, ist flüchtig. Das mag manchmal traurig sein, aber andererseits ist das unsere Stärke. Wir sind im Augenblick, und den müssen wir - so gut es geht - ausfüllen. Wenn es gelingt, ist man glücklich.


60 Jubilee Concert, Fr 12. September 2025, 20 Uhr
Jazzclub Karlsruhe, Kaiserpassage 6


Foto: ©Jürgen Schurr

Jazzclub Karlsruhe

Kaiserpassage 6

76133 Karlsruhe

| Infos

Termin

14.11.2025 19:00
Pest oder Cholera • Vernissage